Pellet- oder Müslifütterung?
Betrachtung einer historischen Entwicklung
Das Pferd ist als Steppentier in seiner Verdauung auf den zeitraubenden Verzehr von Gräsern und Kräutern ausgelegt. Seit das Pferd dem Menschen als Transport- und Arbeitstier dient, musste eine neue Ernährungsform gefunden werden, die dem Pferd Energie liefert. Die Antwort fand sich im Getreide. Zum Klassiker in der Getreidefütterung avancierte der Hafer, der aufgrund seiner Stärkestruktur noch am leichtesten verdaulich ist.
Mittlerweile haben sich weitere Getreidesorten wie Gerste, Mais, Dinkel oder Weizen in der Pferdefütterung durchgesetzt, die aufgrund ihrer Stärkeform nicht in größeren Mengen unbearbeitet an das Pferd verfüttert werden dürfen. Das Walzen oder Quetschen des Getreides dient zwar einer gewissen Verbesserung der Stärkeverdaulichkeit, stößt aber bei täglichen Fütterungsmengen von 2 und mehr Kilogramm (verteilt auf 3 Mahlzeiten) an die Grenzen der Dünndarmverdauung. Der Verdauungstrakt des Pferdes kann größere Anflutungen von Getreidestärke nicht verarbeiten, es kommt zu Gärungen im Dickdarm, zu Ph-Verschiebungen (Übersäuerungen) und Blähungen. Die Getreidestärke muss also mindestens mit Hitze aufgeschlossen werden.
Wie der Pellet entstand
Seit etwa 1950 wird auf dem Markt pelletiertes Pferdefutter angeboten. Mit der Pelletierung ist nicht nur die Möglichkeit geboten, Futter zu mischen sondern gleichzeitig einen Teilaufschluss der Stärke zu bewirken. Damit wird ein gewisser Hygienestatus erreicht und Zusatzstoffe wie Vitamine oder Mineralien, ja sogar flüssige Bestandteile wie Öle oder Melasse können untergebracht werden. Neben der einfachen Handhabung überzeugte der Pellet durch geringe Staubentwicklung im Vergleich zu reinen Getreidemischungen. Dass durch die Pelletierung keine Auslese durch das Pferd erfolgen konnte, wurde für den Pellet leider ein Bumerang und verlieh ihm den schlechten Ruf, man könne alles hineinmischen und nicht sehen, was man wirklich füttert.
Die Angst vor der Schlundverstopfung lässt manche Pferdebesitzer beim Kauf von Pellets zögern. Daher sollte man aus der Hand leicht anfüttern. Die Gefahr der Schlundverstopfung hängt ab von der Stärke der Pressung, etwaiger Verwendung von Bindemitteln und dem Anteil an quellbaren Inhaltsstoffen wie z.B. Zuckerrübenschnitzeln (was man aber abchecken kann, wenn man Pellets in ein Glas Wasser gibt und stehen lässt). Gute Pellets quellen nicht sehr stark auf.
Heiß, schnell und günstig
Bei der Pelletherstellung wird die Futtermasse im Expander rund 5 Sekunden unter einem Druck bis 40 bar auf 100 bis 120 °C erhitzt (Dampfkochtopf-Effekt), verdichtet und geknetet. Als Presshilfsstoffe dienen im Allgemeinen Bindemittel, damit er nicht bei der Lagerung zerfällt (Pressungen ohne Hilfsmittel sind möglich, benötigen aber einen großen Erfahrungsschatz des Herstellers). Die Erhitzung der Pellets sorgt vordergründig für die Hygiene des Produkts, durch Hitze unzerstörbare Stoffwechselprodukte der Keime (z.B. Aflatoxine aus Schimmelpilzen) bleiben jedoch erhalten. Durch die Hitzeeinwirkung werden auch pflanzeneigene Hemmstoffe (Antinutritive und Toxine) zerstört. Allerdings kommt es ebenso zu einem Angriff auf hitzelabile Nährstoffe wie Öle, proteingebundene Mineralien, Vitamine oder Sekundäre Pflanzenstoffe. Unter bestimmten produktionstechnischen Voraussetzungen könnte zumindest die Herstellung eines nicht so stark erhitzen Pellets möglich sein. Dafür müsste aber zuvor das Getreide aufgrund des besseren Stärkeaufschlusses dampfbehandelt sein.
Die Müsligeneration
Die ersten typischen Müslifutter kamen um 1980 auf den Markt. Die bunte appetitliche Futtervariante begeisterte die Pferdebesitzer, die in dieser Zeit oft selbst auf der Müsliwelle dahinschwimmend ihren Pferden etwas Gutes tun wollten. Die in Mode gekommenen bunten, wohlriechenden Müslimischungen machen nicht nur dem Pferd Appetit, sondern sollen den Pferdehalter zum Kauf anregen.
Die Diskussionen um Pellet oder Müslifutter fanden ihren Anfang. Der Vorteil der Müslifütterung – so das Hauptargument - liegt in der heterogenen Struktur des Müslis, welches die Kautätigkeit und damit die Verdauung bereits über die Speichelbildung in der Maulhöhle anregen soll. Die Anzahl der Kauschläge beim Kraftfutterverzehr hängt allerdings von weiteren Faktoren, wie Schmackhaftigkeit, Häckselanteil oder Flockenhärte ab. Das zweite Argument für die Müslifütterung ist die vermeintliche Sichtbarkeit der Inhaltsstoffe, die den Käufer davon überzeugen soll, dass die Qualität des Futters in Ordnung ist. Ernährungsphysiologisch spielen mehr Faktoren eine Rolle als der Farbreichtum der Mischung. Vielmehr sollte der Pferdehalter prinzipiell neben Inhaltsstoffen wie dem Anteil von Ölfrüchten, eventuell Kräutern oder hochwertigen Obst- und Gemüsebestandteilen, ein großes Augenmerk auf den Getreideaufschluss legen. Unaufgeschlossene, also weder flockierte noch gepoppte Getreidekörner senken die Verdaulichkeit eines Müslis. Für den Laien ist leider nicht so einfach feststellbar, wie hoch der Getreideaufschluss im Müsli tatsächlich erfolgt ist. Der feine Geruch der Müslis wird meist durch Aromastoffe (Schoko, Vanille etc.) oder ätherische Öle (Eukalyptusöl) gewährleistet. Müsli (und auch Pellets) ohne Aromastoffe riechen neutral.
Auf den Getreideaufschluss kommt es an
In der Herstellung von Getreideflocken herrschen sehr große Unterschiede. Damit ein optimaler Stärkeaufschluss und ein hoher Hygienestatus erreicht wird, sollten das Getreideflocken hydrothermisch aufgeschlossen werden. Gewalzt, mikronisiert oder gepoppt sollte das Getreide in guten Müslimischungen sein, damit das Pferd die Stärke aus vorwiegend Gerste und Mais verdauen kann, ohne Blähungen, Dickdarmübersäuerungen oder Fehlgärungen zu bekommen. Pferdefutter, die mit einem solch hohen Aufwand hergestellt werden, kosten selbstverständlich mehr Zeit und Geld in der Produktion als weniger aufgeschlossene Produkte, die zwar als Müsli deklariert, wohl aber nur Getreidemischungen und damit einem Pellet in jedem Falle unterlegen sind.
Konservierung nötig
Im Gegensatz zum Pellet zieht die große Oberfläche, die Feuchtigkeit und der meist hohe Stärkeanteil der Müslifutter viele neue unerwünschte Freunde (Milben, Schimmelpilze, Bakterien) an. Daher muss das Müslifutter konserviert werden. Verwenden Müslihersteller reichlich Melasse (mehr als 10%), die nach dem Aufsprühen einen leichten Zuckerfilm auf der Mischung hinterlässt, kann sogar in den besten Fällen die chemische Konservierung entfallen. Die Melassierung des Müslis ist eine besonders schonende Konservierung. Sie ist unschädlich und hat ernährungsphysiologische und geschmackliche Vorteile. Andere Hersteller wiederum können auf eine chemische Konservierung nicht verzichten, dies gilt insbesondere für Müslifutter, die auf Melasse verzichten. Eingesetzt werden vorwiegend Calciumpropionat und BHT (Butylhydroxytoluol, E 321). Diese Stoffe werden als unbedenklich eingestuft. BHT steht allerdings im Verdacht, Pseudoallergien auszulösen. Beim Pferd sollte man zusätzlich nicht außer Acht lassen, dass es diesen Chemikalien über die Müsli- bzw. Zusatzfütterung möglicherweise Jahrzehnten ausgesetzt ist und so eine Leberbelastung langfristig nicht ausgeschlossen ist. Korrekte Hersteller deklarieren die Verwendung solcher Konservierungsstoffe. Der Einsatz von Apfeltrester als Süßungsmittel ist kritisch zu betrachten. Bei knappen Apfelernten wird zwangsläufig auf ausländische und nicht aus der EU stammende Produkte zugegriffen. Der Pestizideinsatz ist nicht abzuschätzen.
Müsli oder Pellet?
Die Entscheidung, Pellet- oder Müslifutter zu wählen, hängt weniger von der Form, als von der Qualität und Vielfalt der Inhaltsstoffe, der Zubereitung und dem Getreideaufschluss ab. Pellets sind günstiger in der Produktion. Ein typisches Billigmüsli kann einem hochwertigen Pellet ernährungsphysiologisch total unterlegen sein, während ein hochqualitatives Müsli eben auch oft eine hochpreisige Angelegenheit ist. Ein Blick auf die Deklaration der Inhaltsstoffe, die in absteigender Reihenfolge auf dem Sackanhänger stehen müssen, gibt oft mehr Aufschluss über die Qualität des Futters als die Zubereitungsform. Nicht angegeben werden in den meisten Fällen die Verwendung von Konservierungs-, Aroma - und auch künstlichen Süßstoffen.
Modetrend - getreidefreie Müslis
Ein derzeit aktueller Trend ist die Fütterung von getreidefreiem Kraftfutter. Wobei der Name Kraftfutter sich höchstens auf die verwendeten Ölfrüchte, wenn vorhanden, bezieht. Diese Mischungen aus verschiedenen Gräsern, Kräutern, Ölfrüchten, Nüssen und getrockneten Früchten versprechen dem Verbraucher wenigstens, dass ein Pferd nicht mit leberschädigenden und allergieerregenden Zusatzstoffen belastet wird. Sie stellen die große dogmatische Gegenbewegungen zu den süßen und stärkehaltigen, hochkonservierten Müslifuttern dar und versprechen, das Pferd vor Rehe, Cushing oder dem metabolischen Syndrom zu bewahren.
Getreidefreie Müsli werden gerne als Belohnung nach dem Reiten eingesetzt, Pulver oder Medizin darunter zu mischen. Kaum ein Pferdebesitzer füttert davon mehr als ein oder zwei Kilo am Tag. Wie lange sich dieser Trend halten wird ist fraglich, denn preislich wesentlich günstiger ist gequetschter Hafer, der ebenso frei von künstlichen Zusatzstoffen ist und in seinem Mineralstoffgehalt den "naturnahen" Müslis teilweise überlegen ist.
Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand 2010 überarbeitet 2017