©Dr. Weyrauch

Die Verdauung des Pferdes

- wie unverdauliche Stoffe in reine Energie umgewandelt werden können

Erst die Kenntnisse über die Verdauung des Pferdes machen dem Pferdehalter klar, wie wichtig die Fütterung für die Pferdegesundheit ist. Neben der enzymatischen Verdauung, wie wir sie beim Menschen und beim Hund kennen, verfügt das Pferd über die Möglichkeit, für zum Beispiel uns Menschen unverdauliche Faserstoffe in seinem Dickdarm mit Hilfe unzähliger Mikroorganismen in Energie umzuwandeln. Dieser Verdauungsform ist unbedingt Rechnung zu tragen.

Eine wichtige Rolle spielt die Einspeichelung des Futters. Während das Pferd als selektiver Dauerfresser Raufutter intensiv gekaut, neigt es bei der Kraftfutterfütterung eher zum Schlingen.

Die Verdauung beginnt im Maul

Gutes Kauen und Einspeicheln führt zu einem gleitfähiger Speisebrei, es wird Magensaft und –säure, sowie Natriumhydrogencarbonat gebildet und gleichzeitig die Bauchspeicheldrüse angeregt. Die Sekretion der Verdauungsenzymen wird eingeleitet. Die Anzahl der Kauschläge pro Minute gibt Hinweise auf die Verdaulichkeit des Futters. So kann durchaus ein schmackhafter Pellet länger gekaut werden als ein Müsli.

Ein homogener Futterbrei wirkt sowohl einer Magenverklumpung, als auch einer möglichen Schlundverstopfung entgegen. Grundsätzlich erfolgt die Raufuttergabe vor der Kraftfuttergabe, um Einspeichelung, Magensekretion und Darmaktivität vor der Zufuhr an getreide- bzw. stärkehaltigen Bestandteilen anzuregen. Die Menge an Kraftfutter pro Mahlzeit richtet sich nach der Art des Kraftfutters.

Stärkehaltige Kraftfutter auf der Basis von Getreide sowie unaufgeschlossene Getreide dürfen nur in geringeren Mengen (1 bis 2 kg pro Mahlzeit) verfüttert werden als Hafer und rohfaserreiche Kraftfutter.

Im Allgemeinen reicht dem arbeitenden Pferd eine Kraftfutterration von 2 bis 3 Kilogramm am Tag, wenn ausreichend Raufutter vorhanden ist. Mengen von über 350g pro 100 kg Körpermasse und Mahlzeit (also ca. 2 kg pro Mahlzeit) sollten nicht überschritten werden. Ist ein höherer Kraftfutterbedarf vorhanden, muss die Anzahl an Mahlzeiten dementsprechend erhöht werden.

Die Verdauung im Magen

Der Speisebrei gelangt in den ca. 18 Liter umfassenden Pferdemagen, in dem das dort vorherrschende saure Milieu zu einer Abtötung unliebsamer Keime beiträgt. Das Futter verweilt hier zwischen 1 und 5 Stunden. Während Raufutter relativ kurz im Magen verweilt, verbleiben große Mengen an Getreide und Fertigfutter länger im Magen, wo es im Anfangsteil des Magens bereits zu Vergärung der Stärke durch Milchsäurebildner kommen kann, die als ungünstig betrachtet wird und Magengeschwüren Vorschub leisten kann.

Nur ein lockerer, feuchter, klumpenfreier Speisebrei wird effektiv vom Magensaft durchsäuert. Dieser Vorgang wirkt einer Fehlgärung im Magen entgegen, die zu Magendruck, bzw. Magenkolik führen könnte. Je besser bereits die Einspeichelung erfolgt ist, desto schneller verlässt der Speisebrei ohne Gärung den Magen. Die Vorbedingung für eine gute Dünndarmverdauung ist damit gegeben.

Enzymatische Verdauung im Dünndarm

Während die Faseranteile von Heu und Stroh weitgehend unverdaut zum Dickdarm weitergeleitet werden, findet während des Aufenthalts im Dünndarm hauptsächlich der enzymatische Aufschluss der schnellverdaulichen Kraftfutterbestandteile statt.

Die Bauchspeicheldrüse sekreniert Proteasen (eiweißspaltende Enzyme), Lipasen (fettspaltende Enzyme) und Amylasen (stärkespaltende Enzyme) zur Zerkleinerung von  Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten.

Pferde akzeptieren zwar Öle in der Fütterung bis zu 500Milliliter bis in Ausnahmefällen 1 Liter pro Tag, was aber keine Verzehrsempfehlung darstellen soll! Alleine durch eine Haferfütterung (zum Beispiel 3 Kilogramm pro Tag) – erfolgt eine durchaus ausreichende Fettaufnahme von 150 Gramm.

Der etwa 20 Meter lange Dünndarm des Pferdes fasst ungefähr 64 Liter Volumen. Während der etwa eineinhalb Stunden dauernden Passage passiert der Futterbrei den Dünndarm mit einer relativ hohen Geschwindigkeit, was kleine aber je nach abgefragter Leistung häufige Kraftfuttergaben erfordert.

Unverdauliches im Dickdarm

Der Dickdarm des Pferdes mit einer Länge von etwa 8 Metern und einem Volumen von fast 130 Litern besteht aus Blinddarm, dem großem und dem kleinem Kolon. In diesen Gärkammern findet der Aufschluss der „unverdaulichen“ Nahrungsbestandteile, der Rohfaser, statt.

Zu den rohfaserhaltigen Futtermitteln zählen vor allem Stroh, Heu, Gras, Laub, Kleie, Rüben und Silage, deren verdauliche Bestandteile Cellulose, Hemicellulose und Pektin innerhalb von 48 Stunden von den körpereigenen Mikroorganismen aufgeschlossen werden. Dabei liefern die Mikroorganismen flüchtige, hochverdauliche Fettsäuren (Essig- Milch- und Propionsäure) zur Energiebereitstellung, sowie B-Vitamine (z.B. das hufhornbildende Biotin oder Vitamin B12). Die Mikroorganismen verlangen nach einem Mindest-Rohfasergehalt im Futter, um zu überleben. Durch Störungen des biologischen Gleichgewichts im Dickdarm wird die Gesundheit des Pferdes nachhaltig beeinflusst:

Maßhalten heißt die Devise

Bei einer sehr getreidelastigen Fütterung, bei der die Stärke nicht vollständig im Dünndarm verdaut wird und ein Teil Reststärke in den Dickdarm gelangt, wird das Gleichgewicht der Mikroorganismen verschoben. Es kommt zu Blähungen, Übersäuerungen und sogar zur Bildung von Stoffwechselgiften.

Die Folge sind Störungen im Darmmilieu, Schleimhautreizungen, Verspannungen, Koliken und Hufrehe. Die Bildung von B-Vitaminen und die Nährstoffresorption werden in Mitleidenschaft gezogen.

Während die feinkernige Stärke des Hafers zu über 80 % bereits im Dünndarm verdaut wird ist, können unaufgeschlossene Anteile von Gerste und Mais den Dickdarm erreichen. Daher können Gerste und Mais nur hochaufgeschlossen in größeren Mengen (2 bis 4 Kilogramm am Tag), auf mindestens drei Mahlzeiten verteilt gefüttert werden.

Nachteile einer zu eiweißhaltigen Fütterung

Bei einer eiweißlastigen Fütterung z.B. mit zu hohen Mengen von Extraktionsschroten, Hafer, Sojaprodukten, Hefen oder jungem Gras kommt es zu einem Eiweißüberschuss im Dickdarm.

Die Darmbakterien sind zwar selbst auch angewiesen auf eine ausreichende Proteinzufuhr, aber auch gezwungen, im Falle von überhöhten Eiweißgaben diese Eiweiße zur Energiegewinnung heranzuziehen.

Dabe fällt nicht verwertbarer Stickstoff in Form von Ammoniak ab. Das Zellgift Ammoniak wird von der Darmschleimhaut aufgenommen, wandert in die Blutbahn und wird in der Leber zu Harnstoff umgebaut und muss über die Nieren ausgeschieden werden.

Eine zu hohe Proteinzufuhr in den Dickdarm leistet der Bildung von biogenen Aminen Vorschub. Die Bildung von biogenen Aminen wie Histamin, Putrecin oder Cadaverin können zu schweren Stoffwechselproblemen führen. Von hohen Eiweißmengen spricht man, wenn die Zufuhr den Bedarf um das Doppelte bis Dreifache überschreitet.

Gefahr durch eine fehlende Mineralisierung

Die Aktivität und Gesundheit der Mikroben im Darm des Pferdes sind nicht nur von der Qualität des Futters und der Zusammensetzung der energieliefernden Nährstoffe Rohfaser, Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten abhängig.

Die harmonische und bedarfsgerechte Mikronährstoffversorgung der Mikroben spielt eine entscheidende Rolle für die Qualität der Vergärung im Dickdarm, da die Mikroben selbst einen sehr hohen Bedarf an zum Beispiel Spurenelementen (u.a. Zink und Cobalt) haben. Eine nicht ausreichend versorgte Bakteriengemeinschaft im Dickdarm ist nicht in der Lage, Rohfaser umzusetzen, Vitamine zu bilden und sich fortzupflanzen.

Harmonisierung der Futterration

Eine ausgewogene Zusammensetzung der Gesamtfuttertration erfordert einen ausreichenden Raufutteranteil (1,2 bis 1,5 Kilogramm/100 Kilogramm Lebendgewicht). Heu sollte nicht zu spät, jedoch nach der Blüte geerntet sein. Zum Verweilen zwischendurch eignet sich unbedingt Futterstroh, welches durch seinen hohen Rohfaseranteil und seinen geringen Anteil an Eiweiß eine gute Pufferfunktion hat.

Merke: An Heu und Stroh sind selbstverständlich höchste Qualitätsansprüche zu stellen. Staubiges oder verschimmeltes Rauhfutter wird im Dickdarm zum Bumerang und verhindert eine gesunde Entwicklung der Mikroorganismen.

Ölfrüchte, Öle und Ölkuchen (z.B. Sonnenblumenkerne, Leinsamen, Hanf- oder Schwarzkümmelsamen) werden vom Pferd gut angenommen und entlastet die Getreideration von zu hohen Stärkemengen, vorausgesetzt, der Energieverbrauch erfordert überhaupt solche zusätzlichen Energiequellen. Zu hohe Ölmengen (über 10 Prozent in der Gesamtfutterration) können unter Umständen nicht verdaut werden und beeinträchtigen die Dickdarmflora.

Mit dem Einsatz von pektinreichen Futterkomponenten wie Rübenschnitzeln, Weizenkleie  kommt man einer ausgewogenen Pferdefütterung näher.

Neben einer bedarfsgerechten Fütterung und Mineralisierung spielt die Stabilisierung der Darmflora die wichtigste Rolle in der Pferdefütterung. Daher wird eine Ration durch die Fütterung von verdauungsfördernden Kräutern aufgewertet.

Kräuter dienen nebenbei der Anregung der Entgiftungsorgane wie Leber und Niere und entlasten die Verdauung. Bittere Kräuter aktivieren die Leber und wirken gallefördernd.

Merke: Der größte Vektor zur Stabilisierung der Darmflora und Schutz vor Entgleisungen spielt eine bedarfsgerechte Mineralisierung.

Mit der harmonischen Raufutterverwertung steigen die Vitaminsynthese, sowie die Resorptionsleistung. Die Energie- und Nährstoffversorgung wird verbessert und damit auch die Widerstandsfähigkeit des Organismus.

Die Besonderheiten der Verdauung des Pferdes und deren Umsetzung durch eine ausgewogene Fütterung mit sinnvollen Nahrungskomponenten führen zu Gesundheit, Wohlbefinden und gesteigerter Leistungsfähigkeit des Pferdes.

Dr. Susanne Weyrauch- Wiegand 2011 überarbeitet 2023©

Empfohlene Literatur:

Pferdefütterung, Meyer

Moderne Pferdefütterung, Weyrauch-Wiegand

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