Mineralstoffe für Pferde
Wer nichts von der Mineralisierung an seinem Pferd merkt, füttert das falsche Produkt
Unabhängig von der Rasse oder davon, was gefüttert wird, scheinen Mineralfutter in jede Pferdefütterung zu gehören. Das Angebot hierfür und horrende Werbeversprechen machen den Pferdehalter unsicher, für welches Produkt er sich jetzt entscheiden soll.
Leider stellen die meisten Pferdebesitzer trotz der Fütterung eines Mineralfutters keine wirkliche Verbesserung ihrer Situation fest. Das wird schließlich so hingenommen bis die Fütterung von Mineralfutter nur noch eine Art Alibifunktion übernimmt.
Durch den fehlenden "Aha"-Effekt durch die Fütterung von gängigen Mineralfuttern sollten dem bewussten Pferdehalter Zweifel an der Zusammensetzung der Mineralstoffpräparate kommen. Er sollte sich die Frage stellen, ob eine Gabe wirklich zielführend ist. Dem aufmerksamen Pferdebesitzer fällt dann auf, dass fast alle Mineralfutter zu 80% nahzu baugleich sind.
Schließlich und endlich zeigt eine einfache Berechnung der Futterration, dass übliche Mineralfutter zu immensen Überladungen an bestimmten Mengenelementen führen und damit eine Fütterung sogar kontraproduktiv auf den Organismus und den Stoffwechsel wirken kann. Das hat einen historischen Hintergrund, der hier beleuchtet werden soll.
Die Geschichte der Mineralfutter
Die Entwicklung der Mineralfutter war in jedem Fall gut und richtig. Renommierte Futterfirmen erkannten bereits um die 70iger Jahre, dass die klassische Pferdefütterung mit damals reichlich Hafer, wenig Heu und Stroh (sogenannte "Fünfer-Regel": 5 kg Hafer, 5 kg Heu, 5 kg Stroh) zu einem Phosphorüberschuss führte und dass eine hohe Calciumgabe das Calcium/Phosphor-Gleichgewicht wieder herstellte. In dieser Phase der Entwicklung von Pferdefuttern standen weder mineralisierte Müslifutter noch Pellets zur Verfügung, so dass gerade für Zuchtstuten, Fohlen und heranwachsende Pferde diese Mineralfutter einen wahren Segen darstellten. Heutzutage spielt das Thema Calcium/Phosphor aufgrund der allgemeinen Reduktion von Getreide zugunsten von Raufutter keine große Rolle mehr.
In den Mineralfuttern wurden und werden hauptsächlich Mengenelemente eingesetzt. Die Bedeutung der Spurenelemente für den Pferdeorganismus war bis in die 80iger Jahre noch weitestgehend unbekannt. Verwendet wurden hauptsächlich preiswerte anorganische Verbindungen, wie Calciumcarbonat, Magnesiumoxid oder Calciumphosphat.
Blut- und Tiermehle als natürliche Spurenelementlieferanten
Zuvor hatten die spurenelementreichen Tier- und Blutmehle die Aufgabe, den Bedarf an Mikronährstoffen zu decken. Das hatte durchaus die ganzen Jahre vorher gut funktioniert. Gerade sowohl in Blut als auch im tierischen Gewebe allgemein finden wir immense Mengen an hochwertigen Nährstoffen, vor allem Spurenelemente in hochbioverfügbarer Form. Auch der legendäre Professor Kirchgessner empfahl seinerzeit Blut- und Tiermehle vor allem für die Fruchtbarkeit. Diese Grundlage der Mineralisierung wurde dann in den 1990er Jahren aufgrund der BSE-Krise verboten.
Nicht wenige Firmen vergaßen schlichtweg, nach dem Tiermehlverbot die Spurenelementversorgung auszugleichen, weil Ihnen einerseites die Bedeutung der Spurenelemente nicht wichtig genug erschien, andererseits horrende Kosten auf sie zukamen. Wenn dann tatsächlich Spurenelemente eingesetzt wurden, waren es billige Verbindungen wie z.B. Zinkoxid oder Zinksulfat, deren biologische Verfügbarkeit extrem gering ist.
Grundlagenforschung in der Agrarwissenschaft
Zu diesem Zeitpunkt war der Begriff: "organisch gebundene Spurenelemente" höchstens den Agrarwissenschaftlern an der TU München-Weihenstephan bekannt, die unter den Professoren Kirchgessner und Schwarz mit Zinkchelaten die ersten Fütterungsversuche an Versuchstieren in Deutschland machten. Diese Erkenntnisse wurden sehr lange von der Tiermedizins schlichtweg ignoriert oder sogar in Frage gestellt! Diese Überheblichkeit stellte sich im Nachhinein als böser Fehler dar.
Der Einsatz von organisch gebundenen Spurenelementen hat sich dann aufgrund eindeutiger Resultate am Pferd und hinlänglich beim Menschen oder anderen Spezies bewiesen. Heute ist der Einsatz der zwar teureren, aber dafür deutlich besser bioverfügbaren Spurenelemente nicht mehr anzuzweifeln. Wieder hat sich einmal die Naturwissenschaft gegenüber der Tiermedizin durch Souveränität und Integrität durchgesetzt.
Die Entwicklung hochwertiger Mineralfutter schreitet voran. Neben der organischen Bindung spielt auch der Transport der Nährstoffe über spezielle Biomechanismen eine große Rolle. So wurde bereits hinlänglich wissenschaftlich bewiesen, dass das verwendete Medium die Bioverfügbarkeit der Mineralstoffe maßgeblich mitentscheidet.
Das Paradoxon in der Deklaration führt zu Nährstoffmängeln
Oft werden klassische Mineralfutter gefüttert, weil der Pferdebesitzer ahnt, dass nichtenergieliefernde Mikronährstoffe fehlen und dieses Leck letztendlich die finale Ausheilung oder Beseitigung von Stoffwechselproblemen einschränken könnten.
Leider tappt er dann in die Deklarationsfalle, denn ein Mineralfutter darf nur als Mineralfutter bezeichnet werden, wenn der Rohaschegehalt über 40 % liegt. So will es der Gesetzgeber. Um jedoch einen Rohaschegehalt von über 40 % zu erwirken, muss der Großteil der zugeführten Mineralstoffe anorganischer Natur sein (zum Beispiel Calciumcarbonat, Dicalciumphosphat, Magnesiumoxid, Natriumchlorid). Diese Moleküle sind schlichtweg kleiner und haben dadurch eine höhere Dichte, wodurch mehr Atome in ein Kilogramm Verpackung passen.
Organische Verbindungen sind große Moleküle
Organische Verbindungen jedoch wie Citrate, Gluconate und Chelate sind große und raumgreifende Moleküle. Die organischen Anteile gehen bei der Ermittlung der Rohasche (Verbrennung im Muffelofen) schlichtweg in Rauch auf und der Gehalt an den gewünschten Atomen ist deutlich geringer, so dass der Rohaschegehalt weit niedriger liegt als bei der Verbrennung anorganischer Verbindungen.
Die in Mineralstoffen verwendeten sehr günstigen Calcium- oder Magnesiumverbindungen hemmen nicht nur die Aufnahme der sensibleren Spurenelemente sondern werden nur zu einem Bruchteil resorbiert. Ein großer Teil wird ausgeschieden. Der Geschmack vieler Mineralfutter wird durch Aromastoffe verbessert und nicht selten mit Süßstoffen unterstrichen, was Leberschädigungen Vorschub leistet und Kotwasser forciert.
Die Gesundheitsversprechen hinter solchen einfach gestrickten Produkten sollen dem Pferdebesitzer das Gefühl geben, man "hätte ja alles Mögliche gemacht". Das ist unter den oben genannten Voraussetzungen äußerst fraglich.
Billige Mineralfutter durch billige Füllstoffe
Fraglich ist auch manche Basis der Mineralfutter, wenn Traubenzucker, Weizen oder Soja, Apfeltrester oder einfach nur Calciumverbindungen verwendet werden. Die Qualität des Nährstofftransports ist abhängig vom Füllmaterial, in dem die Nährstoffe in den Körper gelangen. Daher ist an dieser Stelle wichtig, die verschiedenen Mineralfutter genau zu betrachten und zu durchleuchten, bevor man nur den Versprechen glaubt. In sehr vielen Fällen ist leider günstig auch billig.
Was der Kunde nicht weiß
Heute ist es tatsächlich möglich, dass sich jeder Berufsaussteiger in der Futtermittelbranche ohne jeglichen Qualifikationsnachweis selbstständig machen und als "Futterexperte" ausgeben kann. Unter dem eigenen Namen gelabeltes Futter ("mit einem Label versehen", das heißt, dass ein Lohnhersteller für die so entstandene neue Futtermittelfirma eines von mehr oder weniger ähnlichen Produkten herstellt, verpackt und bei der Deklaration hilft) kann so ohne jegliche Qualifikation des Inverkehrbringers angeboten werden. Das sollte dem Pferdehalter und Käufer von Mineralfutter bewusst sein und die Frage aufwerfen: Wer steckt hinter einer Firma? Hat derjenige wirklich ein entsprechende Fachkenntnis? Hat der Inverkehrbringer eines gelabelten Mineralfutters überhaupt Zugang zu Wissen im Rahmen der Biochemie und der Physiologie? Wurde das Mineralfutter jemals zuvor getestet oder ist es nur eine Abwandlung eines anderen Mineralfutters xy auf dem Markt?
Woher soll der Pferdehalter wissen, was sein Pferd braucht?
Die Inhaltsstoffe eines Mineralfutters müssen auf das Pferd angepasst sein. Ein Überhang von Calcium und Phosphor mag beim Zuchtpferd oder hohen Hafermengen (5kg und mehr) gerechtfertigt sein. Das ist aber bestimmt nicht der Großteil unseres Pferdebestandes.
Bei einer nativen Futterration, basierend ausschließlich auf Heu und Stroh ist in jedem Fall ein Calcium- und Phosphor-Überschuss zu erwarten! Während Zuchtstuten, laktierende Stuten, Fohlen und Jährlinge von diesen Überhängen noch am ehesten profitieren, stagniert die gesundheitliche Entwicklung von Isländern, Arabern, Friesen, Ponys sowie alle anderen Spezialrassen, die auf einen erhöhten Anteil an Spurenelementen angewiesen sind, da sie neben speziellen Bedürfnissen zudem oft getreidefrei oder diäten ernährt werden.
Moderne, sportbetonte Pferde haben wieder andere Ansprüche an die Mineralstoffzufuhr aufgrund der sich gerade in den letzten Jahren veränderten Beweglichkeit der Pferde. Hier können sich Calcium- und Phosphorüberschüsse negativ auf die Qualität von Gelenken, Knochen und Sehnen auswirken.
Veränderungen im Nährstoffbedarf bei modernen Sportpferden
Die Reitpferdezucht hat sich in Bezug auf Rittigkeit, Bewegungsstärke und Springvermögen deutlich weiter entwickelt. Damit gehen natürlich auch Veränderungen im Bereich der körperlichen Gewebe einher, die ganz anderen und oft höheren Belastungen ausgesetzt sind.
Diesen histologischen Modifikationen in Richtung mehr Beweglichkeit, Reaktionsfähigkeit oder Sensibilität muss Rechnung getragen werden, unabhängig davon ob das Pferd sportlich aktiv ist oder im Erhaltungsbedarf. Der Nährstoffbedarf des modernen Sportpferdes unterscheidet sich mittlerweile vom Nährstoffbedarf von Pferden, die noch vor 20 oder 30 Jahren gezüchtet worden sind.
Dass damit auch ein anderer Nährstoffbedarf in Bezug auf die Regenerationsfähigkeit des Bindegewebes (Sehnen, Bänder), eine Aktivierung des Knorpelstoffwechsels und eine Lockerung der Muskulatur einhergeht ist zu erkennen an „Erkrankungen“ des Pferdes, die früher in dieser Form und Menge nicht aufgetreten sind wie zum Beispiel Equine Sarkoide, Shivering, PSSM oder Headshaking.
D.h. aber auch im Umkehrschluss, dass eine Fütterung bzw. vor allem Mineralisierung und Vitaminisierung den heutigen Ansprüchen angepasst werden muss.
Jeder Züchter ist bestrebt, ein erfolgreiches Pferd zu züchten, mit dem er Renommee erlangen kann. Das ist durchaus nachvollziehbar. Von ca. 1 Million Pferde in Deutschland sind nur 150.000 Pferde im Turniersport, das sind gerade mal 15%. Die restlichen Pferde, darunter natürlich auch Ponys, Spezialrassen, Zuchtpferde, heranwachsende Pferde und Rentner, werden von ambitionierten Pferdebesitzern versorgt, die das genetische Leistungspotential dieser Pferde gar nicht ausschöpfen, die Fütterung jedoch an den Bedarf der modernen Zuchtprodukte anpassen müssten, damit das Pferd langfristig gesund bleibt.
Organische Nährstoffverbindungen angebracht
Viele Mineralfutter enthalten Magnesium und Spurenenelemente in anorganischer, sprich fast nicht für den sensiblen Stoffwechsel verwertbaren Form. Hierzu ist anzumerken, dass ein Organismus, der bereits nährstoffmäßig relativ gut versorgt ist, mit diesen anorganischen Formen keinen großen Vorteil mehr erzielen kann. Im Gegensatz dazu kann ein nährstoffmäßig komplett verarmtes Individuum durchaus noch Nutzen daraus ziehen.
Sind Mineralfutter mit Vitaminen angereichert, ist das prinzipiell nicht negativ. Die Verhältnisse der Vitamine untereinander sind aber meist ihrem Einkaufspreis untergeordnet, sprich hochpreisige Vitamine (Vitamin E) sind in kleinen Mengen vorhanden, günstige Vitamine (Vitamin A) dagegen reichlich. Meist sind die B-Vitamine in so kleinen Tagesmengen zugefügt, dass selbst der menschliche Bedarf nicht gedeckt wäre. Vermutlich produziert ein halber Meter gesunder Pferdedarm täglich mehr B-Vitamine als in einem solchen Mineralfutter enthalten sind.
Der Kunde, dem im Allgemeinen die Bedarfszahlen für den Nährstoffbedarf fremd sind, glaubt dem Versprechen, enthaltende B-Vitamine seien bedarfsgerecht enthalten. Für ihn - der im treuen Glauben handelt - ist es vorrangig wichtig, dass da überhaupt Vitamine enthalten sind. Darin liegt ein Hauptproblem vitaminisierter Mineralfutter.
Mineralfutter soll den Mineralstoffbedarf ergänzen
Eine derzeit ganz besondere Irreführung liegt vor, wenn der Anschein erweckt wird, man könne den Mineral- und Spurenstoffbedarf mit einem ausschließlich aus Pflanzen und Kräutern bestehenden "Mineralfutter", ohne den Zusatz von Mineralstoffen oder Spurenelementen decken.
Der hinters Licht geführte Verbraucher ist dann baldigst Besitzer eines Pferdes mit eklatanten Nährstoffmängeln und deren tragischer Folgen.
Wie hoch der Gehalt an Mineralstoffen ist, kann an der Deklaration selbst und dem Gehalt an Rohasche festgestellt werden, allerdings können hier Verunreinigungen wie Sand oder einfach nur viele anorganische Verbindungen den Wert anheben und auch hier wieder zu Unsicherheiten führen.
Unabhängig von der Zusammensetzung solcher "Mineralfutter" ohne zugesetzte Mineralien kann man von einem Gehalt an Mineralien pro Kilogramm ausgehen, der dem von gutem Heu entspricht oder höchstens wenige Milligramm darüber. Wer hier etwas anderes erzählt beugt die Naturwissenschaft oder hat sich noch nicht mit den Nährstoffdaten von Lebens- oder Futtermitteln auseinandergesetzt.
Fraglich ist ebenso die Verfütterung von Futterkalk oder von zermahlenem Gestein als Mineralfutter. Von einer Mindestbioverfügbarkeit ist man hier weit entfernt. Wenn man im Mittelalter Gesteinsmehl verfüttert hatte war das vielleicht die einzige Option, aber jetzt leben wir im 21. Jahrhundert.
Unpassende Mineralfutter verschlechtern den Gesundheitszustand des Pferdes
Nährstoffmängel führen zu diversen Erkankungen wie Muskelverspannungen, Ekzem, Kotwasser, Atemwegs- oder Beinproblemen. Sobald solche Probleme auftauchen, sind vorrangig die Nährstoffkombinationen zu wählen, die primär der Behebung genau dieses Mangels dienen (Minimumgesetz nach Sprengel und Liebig).
In diesen heiklen Momenten besteht durchaus die Gefahr, dass typische "All-in-One"-Mineralfutter zum Bumerang werden, da Überhänge anorganischer Anteile mit den dem Organismus fehlenden Nährstoffen konkurrieren und damit die Resorption wirklich benötigter Nährstoffe ausbremsen.
Auch "Mineralfutter", die lediglich auf Pflanzenteilen ohne zugesetzte Mineralien basieren, hinterlassen nach mehreren Monaten ein entmineralisiertes Pferd und die damit entstehenden Probleme.
"Mineralfutter", die auf gemahlenem Stein bestehen sind fraglich bezüglich der Verwertung. Auch die können sich als bedauernswerter Missgriff herausstellen.
Die Fütterung eines ergänzenden Mineralfutters muss beim Pferdehalter einen sichtbaren Nutzen erbringen!
Unzählige Mineralfutter auf dem Markt haben eine ähnliche oder mehr oder weniger gleiche Zusammensetzung. Diese Mineralfutter sind sogar günstig und der Pferdebesitzer glaubt an die erstaunlichen Versprechen von mehr Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
Jedoch sprechen Unwissenheit um Wechselwirkungen, Unkenntnis um Bioverfügbarkeiten, fehlende Erfahrung um tatsächliche Bedarfssituationen aus vielen dieser Rezepturen.
Wenn man nichts an der Mineralisierung merkt, sollte man hellhörig werden.
Grundsätzlich gilt, den vorhandenen oder die vorhandenen Mängel zu ermitteln, rasch und zuverlässig auszugleichen, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Pferdes wiederherzustellen. Werden fehlende Mikronährstoffe durch einen angepassten Mineralstoffcocktail gefüttert und die Bioverfügbarkeit des Produktes ist gegeben, lässt ein positives Resultat meist nicht lange auf sich warten.
Der Pferdehalter sieht die Veränderung und hat dann die Gewissheit, dass die Mineralisierung angekommen ist. Dann ist er auf dem richtigen Weg!
Dr. Susanne Weyrauch -Wiegand September 2014 überarbeitet März 2022.