Nierenprobleme beim Pferd
Ein Entgiftungsorgan, das keinen Spaß versteht
Die Nieren sind ein paariges Organ und zählen neben Leber, Darm und Haut zu den wichtigsten Entgiftungsorganen des Organismus. Nierenschäden beim Pferd gehören zu den besonders schwerwiegenden Erkrankungen, denn auch leichte Nierenschwächen können die Gesundheit des Pferdes belasten.
Nierenerkrankungen beim Pferd sind oft die Folge, oder auch die Begleiterscheinung anderer Erkrankungen. Zufällige Blutuntersuchungen bringen nicht selten erst die Probleme zu Tage.
Die Nierenfunktion
Eine maßgebliche Aufgabe der Nieren ist die Ausscheidung von stickstoffhaltigen Abfallstoffen aus dem Eiweißstoffwechsel. Hier sind vorrangig Harnstoff, Kreatinin und Harnsäure gemeint. Aber auch Giftstoffe (Toxine) und Noxen (zum Chemikalien wie Medikamente, künstliche Aromastoffe, Konservierungsmittel etc., auch Xenobiotika genannt) werden über die Niere entgiftet.
Ein weiterer Aufgabebereich der Nieren ist die Aufrechterhaltung der Ca-, Mg-, P- und K- Bilanz. Überschüssige Mineralstoffe wie Natrium, Kalium, Phosphat und Wasserstoffionen (H+) werden rasch und unkompliziert abgeführt, so dass die Nieren zum Steuerorgan für den Elektrolythaushalt und die Entsäuerung wird. Ebenso sind die Nieren in der Lage, fehlende Nährstoffe zu retenieren (zum Beispiel Magnesium) und dem Organismus zurückzuführen.
Regulation des Wasserhaushalts
Durch die Regulierung der Konzentration des Harns bestimmen die Nieren den Wassergehalt und den Wasserbedarf des Körpers.
Stoffe, die über die Nieren "entgiftungspflichtig" sind, können nur bis zu einer bestimmten Grenze im Harn konzentriert werden. Ein Überangebot (zu hohe Eiweißüberversorgung, Anflutung von Giftstoffen) führt zu einem vermehrten Harnfluss, einhergehend mit einem höheren Wasserbedarf.
Bei Wassermangel konzentrieren die Nieren den Harn, so dass weniger davon über den Harnleiter in die Harnblase abgeführt wird, von der aus dann willentlich der Harn entlassen wird.
Hormonfunktion
Schließlich dienen Nieren als endokrine Drüse auch noch der Hormonproduktion und damit der Synthese des Calcitriols ( Prohormon Vitamin D3 ), des Erythropoetins, Renins und der Prostaglandine.
Sauerstoffversorgung der Nieren
Ein Viertel des Blutes, welches ständig durch das Herz transportiert wird, wird auch durch die Nieren transportiert. Sauerstoff wird aus dem Blut in die Nieren extrahiert. Die extrem gute Sauerstoffversorgung der Nieren deutet auf eine intensive oxidative Energiegewinnung hin.
Wie erkennt man Nierenprobleme im Blutbild?
Die Nieren bildet verschiedene Hormone, zum Beispiel für die Blutdruckregulation und den Calciumstoffwechsel. Daneben sind die Nieren für die Bildung eines knochenmarkstimulierenden Hormons verantwortlich und steuern damit indirekt die Produktion roter Blutkörperchen. Ein Mangel an roten Blutkörperchen im Blutbild kann so auf eine Nierenproblematik hinweisen.
Um den Grad von Störungen der Nierenfunktion zu beurteilen, wird das Blut untersucht. Sind die Werte der „harnpflichtigen Substanzen“ Harnstoff (> 6,7 mmol/l) und Kreatinin (> 177 µmol/l) erhöht, ist Vorsicht angezeigt.
Der Kreatinin-Spiegel im Blutserum ist abhängig von der Muskelmasse, vom Lebensalter, vom Geschlecht und von der Nierenfunktion. Kreatinin ist die Ausscheidungsform von Kreatin, das sich als Energiereserve im Muskel befindet.
Es wird über die gesunden Nieren mit dem Urin ausgeschieden. Da es als Stoffwechselprodukt fast vollständig filtriert wird, wird es zur Überprüfung der Nierenfunktion verwendet. Der Kreatinin-Spiegel steigt erst ab einer Funktionseinschränkung der Nieren von über 50 Prozent an.
Weitere Hinweise geben ein niedriger Natrium – und Chlorspiegel, eine erhöhte Kalium- und Phosphorkonzentration.
Harnstoff im Blut deutet auf eine Überlastung der Niere hin
Bei akutem Nierenversagen steigt der Kreatinin-Spiegel erst nach mehreren Stunden an. Der Harnstoff-Spiegel reagiert dagegen etwas schneller!
Harnstoff entsteht als Endprodukt im Eiweiß- und Aminosäurestoffwechsel in der Leber. Aus dem Stickstoff, der beim Eiweißabbau anfällt, wird in den Leberzellen Ammoniak gebildet. Aus Ammoniak (NH3) und Bicarbonat(HCO3-) entsteht Harnstoff. Dieser wird zu 90 Prozent über die Nieren ausgeschieden, der Rest mit Schweiß und Darmsekreten. Erhöhte Harnstoffwerte im Körper kann man daher mit feiner Nase riechen.
Da Harnstoff in den Nieren aus dem Blut filtriert wird, ist er ein Parameter zur Beurteilung der Nierenfunktion. Allerdings kommt es erst bei einer Funktionseinschränkung von 50 bis 70 Prozent zu einem Anstieg des Harnstoffs im Blut. Erhöhte Harnstoffwerte, die beim Pferd als kritisch betrachtet werden, geben nicht immer einen eindeutigen Hinweis auf eine Nierenerkrankung.
So können sehr proteinreiches Futter, ein Kohlenhydratmangel im Zusammenhang mit Fasten, aber auch das Equine Cushing Syndrom den Harnstoffwert erhöhen. Schockzustände, Fieber, Infektionen, Wassermangel und schwere körperliche Belastung führen ebenso zu hohen Harnstoffwerten wie eine Schilddrüsenüberfunktion und eine Nebennierenunterfunktion.
Zu niedrige Harnstoffwerte im Blut sind ein Hinweis auf einen Nährstoffmangel, da die Bildung von Harnstoff abhängig ist von einem manganhaltigen Metalloenzym namens Arginase. Kommt eine Überversorgung mit Eiweiß zeitgleich zusammen mit einem Manganmangel, kann man sich leicht vorstellen, welche verheerenden Folgen dies für die Eiweißentgiftung des Körpers hat!
Symptome eines Nierenversagens
Kommt es beim Pferd tatsächlich zu einer echten Niereninsuffizienz, fällt das zunächst oft nicht gleich auf. Als paarig angelegtes Organ können sich die beiden Nieren oft gegenseitig in ihrer Wirkung unterstützen, so dass ein Schaden nicht so schnell bemerkt wird.
Erkennbare Symptome können zunächst eine verringerte Harnmenge (Oligurie) sein oder das Pferd setzt häufig Harn ab (Polyurie). Wenn die Nieren versagen, ist das Pferd nicht mehr in der Lage Harn abzusetzen, was als Anurie bezeichnet wird. Das nicht ausscheidbare Wasser sammelt sich im Unterbauch als Ödem an und der Arbeitswille geht verloren. Das Fell wird stumpf und die Pferde geraten in eine Art Depression, bei der der Gesichtsausdruck müde und schwermütig wirkt, was an der narkotisierenden Wirkung des Harnstoffs liegt, der nun nicht mehr abtransportiert werden kann. Es kommt zu Appetitlosigkeit und Abmagerung.
Nierenversagen kann die Folge von Blut- oder Wasserverlusten, Kreislaufversagen oder Herzbeschwerden sein. Der Tierarzt klärt bei Niereninsuffizienz ebenso den Verschluss der Harnwege ab.
Sonderbares Verhalten kann Nierenschwächen anzeigen
Leichte Nierenfunktionsstörungen sind dementsprechend schlecht zu diagnostizieren. Pferde, die unter einer Nierenschwäche leiden, neigen zu Entgiftungsstörungen.
Die zeigen sich vor allem durch absonderliches Verhalten. Das liegt daran, dass Giftstoffe, die durch die schwache Nierenfunktion nicht entlassen werden können, durch die Blut-Gehirnschranke gelangen und zu Wahrnehmungsstörungen führen.
Die betroffenen Pferde neigen zu Schreckhaftigkeit und Angstzuständen und scheuen sehr leicht. Bei Pferden mit Nierenschwäche ist nicht selten auch ein unangenehmer Harngeruch auf dem Fell festzustellen (oft bei Ponys und Kaltblütern, die als "eiweißempfindlich" gelten).
Die Muskulatur dieser Pferde kann fest sein und mitunter sind die Beine angelaufen. Bei manchen Pferden sind Rückenprobleme im Beckenbereich festzustellen. Dies können, müssen aber keine Anzeichen sein. Auch das Auftreten von Ekzemen kann neben einer Leberentgiftungsstörung auf eine Nierenschwäche hinweisen.
Wenn die Nieren entzündet sind
Die Nierenentzündung (Nephritis) ist der Ausgangspunkt für eine chronische Niereninsuffizienz. Das Pferd zeigt Abmagerung, Schwäche und Ödemen, sowie Fieber. Zum Nierenverschlag kann es kommen, wenn Toxine, Noxen und eigene giftige Stoffwechselprodukte die Niere schädigen.
Dabei stellt die Belastung mit Mykotoxinen eine große Gefahr dar. Den Giften der Schimmelpilze begegnet das Pferd tagtäglich mehr oder weniger in jeder Heu- und Getreidecharge.
Auch Bakteriengifte (z.B. das Botulinumtoxin), Schwermetalle und Überdosierungen von synthetischem Vitamin D und Vitamin K, sowie viele Arzneimittel können die Niere schädigen.
Es kann zur Nephrose kommen, einer Stoffwechselstörung, bei der sich die Niere krankhaft verändert und schrumpft. Fress- und Bewegungsunlust sollten den Tierhalter aufmerksam machen. Der Tierarzt kann dann Blut, Eiweiß und Glucose im Urin feststellen.
Die Niere aus der Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin
In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) gilt die Niere als besonders wichtiges Organ. Eine Schwäche der Nieren führt zu mangelnder Vitalität, Unfruchtbarkeit, geistiger Minderentwicklung und frühzeitigem Altern.
In der TCM wird ein Bezug zwischen Niere und Gehirn hergestellt. So werden durch eine gute Nierenfunktion Gedächtnis und Konzentration gestärkt. Auch das Denken und Sehen werden geschärft. Schwache Nieren führen zu brüchigen Knochen, Gelenkproblemen, oder schlechten Zähne, ebenso langfristig zu rheumatische Beschwerden. Durch den Bezug der Niere zu den Lungen stellt die TCM bei einer schwachen Niere auch einen Bezug zu Atemnot und Asthma her. Ebenso kommt es zu schlechtem Haar bzw. Fell.
Die Niere zählt zu den Wasserorganen, denen Kälte und Feuchte schadet. Schwache Nieren sind an kalten Extremitäten erkennbar. Im psychischen Bereich kommt es zu grundloser Angst und Stress.
Fütterung bei Nierenproblemen
Ist ein Nierenproblem diagnostiziert, muss die Fütterung des Pferdes umgestellt werden. Dabei sollte die Ernährung vor allem um Eiweiß entlastet werden. Kohlenhydrate, eiweißarme Fasern und Öle können jedoch problemlos verfüttert werden.
Bestimmte Mineralstoffe wie Phosphor, Calcium, Natrium und Chlor sollten reduziert werden, während Magnesiumgaben (allerdings ausschließlich organische Verbindungen wie Magnesiumcitrat oder Magnesiumaspartat) die Wasseraufnahmefreude des Pferdes erhöhen, was zu einem besseren Durchflutung der harnleitenden Organe führt. Die Spurenelemente sind dem tatsächlichen Bedarf anzupassen, was auch bedeutet, diese ausreichend zur Verfügung zu stellen. Der Manganwert im Blut wäre zu untersuchen und sollte über 1,8µg/l betragen, um die Bildung von Harnstoff sicherzustellen.
Bei der Urolithiasis, also dem Vorliegen von calciumhaltigen Konkrementen in der Blase und eventuell auch in der Niere sollten calciumlastige Mineralfutter strikt gemieden werden, da die Grundfutterration des Pferdes, bestehend aus Heu und Stroh grundsätzlich einen höheren Calciumgehalt vorweist, als notwendig ist und Calcium über die Niere ausgeschieden wird.
Daher ist auch die Luzernefütterung aufgrund des extrem hohen Calciumgehalts einzuschränken bzw. zu unterlassen. Ebenso die zusätzliche Zufuhr von Vitamin D.
Mit Saftfutter (nicht eiweißreich), Rüben und sehr flüssige Mash Zubereitungen kann die Gesamtwasseraufnahme verbessert werden. Magnesium ist der Gegenspieler zu Calcium.
Magnesiummangel als Auslöser von Nierengries
Der Magnesiumstatus im Blut des Pferdes sollte kontrolliert werden. Da bei Magnesiummangel die Ausscheidung von Magnesium über die Niere auf null gesenkt wird, ist ein Mangel an Magnesium nicht selten gerade der Auslöser für die Bildung von Calciumoxalat- oder Calciumcarbonatsteinen und damit Konkrementen in der Blase. Der Magnesiummangel ist nicht selten ursächlich für ein ungenügendes Trinkverhalten. Die Feststellung eines Magnesiummangels im Blut erfordert eine 3 tägige Mineralstoffkarenz vor der Blutentnahme, da sonst mögliche Mineralienanflutungen durch vorherige Fütterung einen zu hohen Magnesiumwert vortäuschen.
Reduktion von möglichen Schadstoffen
Ein vorwiegendes Anliegen ist die Reduktion jeglicher Schadstoffe, die über die Leber und zum Großteil dann auch über die Niere entsorgt werden. Dazu gehören Bakterien- und Schimmelpilzgifte. Ebenso zählen dazu Chemikalien und Noxen, die - auch wenn oft etwas anderes versprochen wird – in feuchten Müslifuttern verwendet werden müssen wie beispielsweise Konservierungsmittel und Aromastoffe (auch naturidentische).
Die Fütterung von nierensensiblen Pferden
Die Gestaltung einer eiweißarmen Fütterung beginnt mit der richtigen Auswahl eiweißarmen Raufutters (zum Beispiel eine Ergänzung durch hochqualitatives Haferstroh). Selbstverständlich entfällt der Weidegang, da gerade im frischen Grün zu hohe Eiweißmengen vorhanden sind. Trotz Eiweißreduktion müssen genügende Mengen der limitierenden Aminosäuren Methionin und Lysin vorhanden sein, um die Körperfunktionen zu erhalten. Geringe Eiweißmengen sind in Rübenschnitzeln und Stroh zu finden. Schlichtweg eiweißfreie Energie liefern Öle, die mit einer Menge von bis 400ml je Großpferd bei langsamer Anfütterung als Alternative zu Getreide eingesetzt werden können.
Von den Getreidearten zeichnet sich der Mais als besonders interessant aus: hydrothermisch aufgeschlossene Maisflocken bieten hohe Mengen an Kohlenhydraten und Energie in einer solchen Krisensituation. Mais ist im Vergleich zu anderen Getreiden am energiereichsten und eiweißärmsten. Eine Getreidefütterung mit Hafer und Gerste kann unter Umständen einer reinen Heufütterung aufgrund der höheren zugeführten Gesamtenergie überlegen sein, auch wenn Getreide über absolut gesehen relativ hohe Eiweiß- und Phosphatgehalte verfügt. Kleien und Extraktionsschrote bzw. Ölkuchen sind leider reich an Eiweiß.
Kräuter für die Nieren
Eine sanfte Unterstützung der Nieren kann durch ausgesuchte Kräuterkombinationen erfolgen. Dabei sind weniger wassertreibende als nierenfunktionsunterstützende Kräuter wie Birke, Schachtelhalm, Petersilienwurzel, Löwenzahn, Wacholder, Hauhechel, Goldrute oder Zitronengras empfehlenswert. Auch an eine leichte Herzunterstützung mit Weißdorn ist zu denken.
In Fällen schwerer Niereninsuffizienz muss die Zufuhr von Kalium und Natriumchlorid deutlich reduziert werden. Diese ist nur im Falle von Kochsalz leicht zu realisieren. Da aber Kalium in großen Mengen im Heu enthalten ist, ist es extrem schwierig, die Kaliumzufuhr zu senken.
Die rechtzeitige Behandlung durch den Tierarzt und die strikte Einhaltung der Nierendiät mit einer auf den tatsächlichen Bedarf angepassten Mineralstoff-, Spurenelement- und Vitaminversorgung kann zur Besserung und auch zur Ausheilung führen. Das Versagen der Nieren jedoch hat rasch den Tod zur Folge.
Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand 2010 überarbeitet 2021©
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