©Dr. Weyrauch

Histamin - die Rache der Mikroben

Biogene Amine, ihre Gefahren und ihre Vorkommen in den Futtermitteln

Dass kontaminiertes, verschimmeltes oder fauliges Futter eine gesundheitliche Belastung für das Pferd darstellt, ist hinreichend bekannt. Der Hauptgrund dafür ist die Belastung des Futters durch Schadkeime und als deren Folge neben den produzierten Giften (z.B. Mykotoxinen) die Bildung von biogenen Aminen, die Erkrankungen auslösen können.

Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Histamin, das bei sensiblen Pferden zu Juckreiz, angelaufenen Beinen, allergischer Bronchitis, Kolik oder Durchfall führt.

Wie entsteht Histamin im Pferdefutter?

Die biogenen Amine Histamin, Cadaverin,  Putrescin entstehen bei Verderb, Konservierung von Futtermitteln oder sogar durch Überfütterung im Pferd selbst.

Histamin wird aus der Aminosäure Histidin gebildet. Die Aminosäure Histidin ist als Baustein beim Aufbau von Eiweiß prinzipiell in jedem Nahrungs- bzw. Futtermittel vorhanden.

Mikroorganismen wie Schimmelpilze, Bakterien oder Hefen wandeln Histidin in Histamin um. Histamin findet man reichlich in Silage, fermentierten Produkten oder kontaminierten Futtermitteln.

Im Körper selbst kann auch reichlich Histamin gebildet werden, wenn beispielsweise Pferde mit Eiweiß überfüttert werden. Das Eiweiß kann aufgrund der großen Mengen nicht im Dünndarm verdaut und resorbiert werden und gelangt in den Dickdarm, wo es von den Bakterien dort fermentiert wird. Hier entsteht dann neben Histamin auch Cadaverin aus der Aminosäure Lysin und Putrescin aus Ornithin. Das gleiche Problem entsteht bei normaler Futtermenge, wenn Fehlgärungen im Darm vorliegen!

Wie wird Histamin abgebaut?

Histamin selbst ist hitze- und kältestabil, sowie durch keine mechanische Methode zu zerstören. Es ist weder abwaschbar, abkochbar oder durch andere Methoden aus dem Futter entfernbar. Die Erhitzung von Futtermitteln (Pellets, Müsli) führt zwar zum Absterben der Mikroorganismen, nicht aber zum Abbau von biogenen Aminen.

Merke: Unter diesem Gesichtspunkt macht sowohl das Wässern von Heu als auch die Heubedampfung keinen großen Sinn. Selbst eine Abtötung der Mikroben kann bereits entstandene Biogene Amine nicht aus dem Futter entfernen.

Der Abbau von Histamin im Körper erfolgt durch ein Enzym. Dieses kupferhaltige Enzym wird als Diaminooxidase (DAO) bezeichnet und ist in der Darmschleimhaut lokalisiert.  Die DAO baut das schubweise das von außen durch die Ernährung zugeführte Histamin ab als auch das in  Intervallen auftretende Histamin allergischer Prozesse (z.B. Pollenallergie). Störungen der Darmflora, Fehlgärungen, andere biogene Amine sowie durch Fehlbesiedlungen im Darm alkoholproduzierende Keime können das Enzym DAO schädigen.

Eine besonders wichtige Funktion im Abbau von biogenen Aminen übernimmt die Leber. Sie stellt das zweitwichtigste Enzym für den Histaminabbau, die N-Methyltransferase (HNMT) zur Verfügung. HNMT baut vorwiegend das konstant anfallenden intrazelluläre körpereigene Histamin ab. Eine Störung der HNMT führt zu chronischen Erkrankungen, bei denen das Nervensystem betroffen ist mit Unruhe, Angstzuständen, Muskelspasmen.

Eine schwache oder erschöpfte Leber ist nicht mehr in der Lage, Histamin und die anderen biogenen Amine abzubauen und kann somit auch der Auslöser für allergische Reaktionen bzw. o.g. Symptomen sein. Leider ist das zu wenig bekannt. Kann Histamin nicht mehr abgebaut werden kommt es zwangsläufig zum Anaphylaktischen Schock.

Zusammenfassend ist die Diaminooxidase (DAO) das entscheidende Abbauenzym des Histamins (in der Darmschleimhaut). Bei reduzierter Aktivität oder "Verschleiß" der DAO reichert sich Histamin im Blut an. Das zweite Histamin abbauende Enzym Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) baut intrazelluläres Histamin (in der Leber, den Niere und der Bronchialschleimhaut) ab. Diese räumliche und funktionelle Trennung erklärt, dass ein Mangel oder eine Überlastung dieser Enzyme unterschiedliche Symptome hervorbringt.

Folgen der Histaminaufnahme

Empfindliche und leberschwache Individuen können nach der Aufnahme histaminhaltiger Nahrung allergische Erscheinungen zeigen. Dabei spielt die Allergieneigung, die aufgenommene Histaminmenge sowie die Darm-, Leber- und allgemeine Stoffwechselgesundheit des Individuums eine Rolle. Bereits geringste Mengen Histamin können bei derart disponierten Lebewesen zu einer Erweiterung der Blutgefäße und damit zu Verkrampfung der Bronchien, Asthma, eitrigen Nebenhöhlen, aber auch Störungen im Magen-Darm-Trakt wie Koliken, Durchfall und Kotwasser, Herz- und Gefäßproblemen (angelaufene Beine), sowie Hautproblemen mit Juckreiz und Quaddelbildung führen. Es kommt zu regelrecht katarrhalischen Erscheinungen, die an eine Infektion erinnern. Der Körper versucht sich vom durch die Ernährung aufgenommenen Histamin zu befreien. Da das Erbrechen beim Pferd unmöglich ist, reagieren viele Pferde erst mit Durchfall.

Histamin in Nahrungs- und Futtermitteln

Je länger ein Nahrungs- oder Futtermittel einem Gärungsprozess unterliegt und je eiweißreicher es ist, desto höher ist der Gehalt an Histamin. Besonders unkontrolliert steigt die Menge an Histamin in kontaminiertem Getreide oder schimmeligem Heu, da Schadbakterien bereits begonnen haben biogene Amine zu bilden.

Bei der Silierung von Pferdefutter entstehen naturbedingt biogene Amine, insbesondere Histamin. Es besteht die Anwesenheit von Eiweiß und Gärvorgänge, die zu einer Umwandlung der Aminosäure Histidin in Histamin führen. Durch Fehlgärungen bei der Silierung kann die Histaminmenge erhöht werden. Je länger die Gärung andauert, also je später der Siliervorgang abgeschlossen ist, desto höher ist die Gefahr der Entwicklung hoher Histaminmengen. Daher macht eine Behandlung der Silage mit Silagehilfsmitteln, die den Säuerungsprozess beschleunigen Sinn. Silage ist nicht für histaminsensible Pferde geeignet.

Leberschädigung durch Silagefütterung möglich

Bei der Fütterung von Silage wird die Belastung des Pferdes mit biogenen Aminen und die Überlastung der Leber billigend in Kauf genommen. Bei Heu und Stroh kann man anhand der Verfärbung und der Staubbildung Veränderungen wahrnehmen und eine Belastung mit biogenen Aminen nur erahnen. Bei der Fütterung von Fertigfuttern bleibt der Pferdebesitzer im Unklaren, ob die verwendeten Zutaten einem Fäulnisprozess ausgeliefert waren.

Geruchliche Abweichungen werden meist durch Aromastoffe oder ätherische Öle überlagert,  farbliche Veränderungen (Graufärbung von Getreide) werden mit Melasse, Ölen und anderen bindenden Zutaten schwer sichtbar.

Folgen einer zu hohen Histaminbelastung

Der ständige Abbau von Histamin führt zur Überbelastung verschiedener Körpersysteme. Hier trifft es vorwiegend die Leber und den Darm als entgiftendende Organe. Auch der Mineralstoffhaushalt wird in Mitleidenschaft gezogen. Es kann zu Spurenelementmängeln kommen, die Verspannungen bis hin zu Hufrehe, Ekzem und Kreuzverschlag nach sich ziehen.

Entsprechend disponierte Pferde sollten ausreichend hochwertiges Grundfutter (keine Silage) bekommen. Dazu sollte die Leber unterstützt werden und jedwede zusätzliche Belastung der Leber zum Beispiel mit künstlichen Zusatzstoffen oder Stress vermieden werden.

 

Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand 2011, überarbeitet im Juni 2022 ©

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