Öle in der Fütterung
Essentielle Fettsäuren, pflanzliche Öle und ihre Wirkung auf den Organismus
Schon lange gilt es als üblich, gerade in Zeiten des Fellwechsels, dem Pferdefutter eine Ration Leinöl zuzusetzen. Kaum ein Futterwagen oder eine Futterkammer, neben der nicht eine Flasche oder ein Kanister Öl zu finden ist. Fast jeder Pferdehalter hat bereits eine Reihe von Ölen ausprobiert, sei es Sonnenblumen-, Schwarzkümmel- oder sogar Olivenöl. Die Ölfütterung ist offensichtlich zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Pferdefütterung geworden. Warum füttert man Öle an Pferde. Ist das wirklich notwendig?
Einleitend dazu machen wir erstmal einen kleinen Ausflug in die Biochemie. Im Rahmen der Weender Analyse fallen unter den Begriff Rohfett sämtliche Naturstoffe, die in Lösungsmittel löslich sind (dazu gehören auch Harze!). Für die Ernährung bedeutsam sind jedoch hauptsächlich die sogenannten Triglyceride, zu denen Fette und Öle gehören. Sie liefern mehr Energie als Kohlenhydrate oder Protein. Ein Kilogramm Fett liefert 9300 Kilokalorien bzw. 39 Megajoule (MJ). Damit eignen sich die Fette hervorragend als Energielieferanten. Als Körperfett angelegt, sind Fette die idealen Speicher für Notzeiten. Aber nicht jeder findet Fettspeicher am Körper zufriedenstellend.
Chemischer Aufbau der Fette
Fette bzw. Öle bestehen aus einem Molekül Glycerin, an das durch sogenannte Veresterung drei Fettsäuren (Carbonsäuren) gelagert sind, wobei die mittlere Fettsäure räumlich den beiden „äußeren“ gegenübersteht (Triangel). Daher auch der Begriff Triglyceride.
Die angelagerten Fettsäuren können unterschiedlich lang (kurzkettige und langkettige Fettsäuren) und unterschiedlich gesättigt sein (gesättigte, einfach ungesättigte und mehrfach ungesättigte Fettsäuren). Ungesättigt heißt, dass statt einer Einfachbindung zwischen den Atomen eine Doppelbindung vorliegt. Die unterschiedliche Zusammensetzung führt auch zu unterschiedlicher Eignung und Nutzung der Fette.
Besser Öl als Fett
Der Unterschied zwischen Fetten und Ölen liegt in ihrem Schmelzpunkt und ihrer Struktur begründet. Fette sind bei Raumtemperatur fest oder halbfest. Sie enthalten überwiegend lange gesättigte Fettsäuren und sind meist tierischer Herkunft (Schweineschmalz, Butter).
Kokos- und Palmfett stellen eine Ausnahme dar. Sie sind pflanzlich und bestehen zu 50% aus ungesättigten zumeist langkettigen Fettsäuren. Ab 23° Celsius werden diese Fette flüssig. Da sich das Pferd mit der Verdauung langkettiger ungesättigten Fettsäuren außerordentlich schwer tut und Kolikgefahr besteht, werden bei Pferden weder tierische noch pflanzliche Fette eingesetzt sondern ausschließlich Öle.
Öle haben einen niedrigeren Schmelzpunkt und sind auch bei Temperaturen unter 10°Grad flüssig. Sie bestehen aus einem hohen Anteil an einfach ungesättigten bis mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Sie sind bis auf die Fischöle rein pflanzlicher Herkunft und werden von Pferden sehr gerne aufgenommen.
Öl in der Pferdefütterung
Die Öle dienen einerseits der Energielieferung. Andererseits macht sie der Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren essentiell, also lebensnotwendig und damit zu einem wichtigen Bestandteil der Pferdefütterung.
Pferde haben durchaus eine gewisse Verdauungskapazität für Öle. Von Natur aus nimmt das Pferd reichlich Omega-3-Fettsäuren beim Weidegang durch das frische Grünfutter auf. Zu dieser Erkenntnis kam man bereits vor mehreren Jahren im Rahmen verschiedener Forschungsarbeiten.
Auch Hafer enthält einen Ölanteil von nahezu 5%. Bei einer Haferfütterung von 4 Kilogramm, nimmt das Pferd immerhin schon 200 Milliliter Öl zu sich.
Früher erhielten die Pferde sogar mehr Hafer, teilweise sogar 8 Kilogramm, und damit fast 400g Haferöl. Um die Fette für die Aufnahme ins Blut zu emulgieren bildet ein Pferd täglich 6 Liter Gallensäfte.
Der heutige Trend zur Gersten- und Maisfütterung beim Kraftfutter geht einher mit erhöhter Kohlenhydratzufuhr und verringerter Ölzufuhr. Da die Gerste nur halb so viel Fett enthält wie Hafer, und Mais vor allem reich an zweifach ungesättigten Fettsäuren (Linolsäure) ist, wurde die Zufütterung von hochwertigen Ölen empfohlen. Der hohe gesundheitliche Wert von Ölen, die reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind lässt sich am besten darstellen, wenn man den Aufbau der Zellen betrachtet.
Einfluss der Fettsäuren auf die Zellmembran
Die Aufgaben der Zellmembran sind vielfältig. Sie sind nicht nur eine Schutzhaut, sondern sie bestimmen die Aufnahme von Nährstoffen sowie die Abgabe von Abfallstoffen. Ebenso den Austausch von Wasser und Signalen aus der Außenwelt und in die Außenwelt. Auch der Austausch von Ionen wie Kalium, Natrium und Chlor (ganz besonders wichtig für die Nervenzellen) wird über die Membranen gesteuert.
Der Aufbau der Zellmembranen (Doppelmembran) ist gekennzeichnet durch eine Lipid-Doppelschicht. Im Rahmen einer sandwichartigen Struktur bilden sich im wässrigen Milieu Doppelschichten von Lipiden, deren Kopf zur wässrigen Umgebung zeigt, während die Fettsäuren sich nach innen richten.
Das hydrophile (wasserliebende) Kopfteil, der über eine Phosphatsgruppe verbunden ist (Phospholipide) begrenzt die Zelle nach außen und ins Zellinnere. Der innere Teil der Zellmembran ist wasserunlöslichen Teil und wird aus den Fettsäuren gebildet.
Biomembranen sind keine starren Gebilde und ihre Fettsäurezusammensetzung (mehrfach ungesättigten Fettsäuren, kurze Fettsäuren, gesättigte Fettsäuren) bestimmen Elastizität und Qualität der gesamten Zelle. Je höher der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren in der Zellmembran ist, desto elastischer und anpassungsfähiger und damit auch gesünder ist die Zelle.
Damit erklärt sich auch die große Bedeutung der mehrfach ungesättigten Fettsäuren für die Gesundheit, Kraft, Kondition und Nervenstärke. Beispielsweise sorgen elastische Blutkörperchen durch eine verbesserte Fließfähigkeit des Blutes für einen besseren Sauerstofftransport bis in die kleinsten Kapillaren. Blutgefäße und Nervenbahnen profitieren ebenso von der Geschmeidigkeit der Zellmembranen wie Leberzellen.
Entzündungen mit Öl bekämpfen
Zu den bekannten gesundheitswirksamen Ölen gehören die, welche reich an dreifach ungesättigten Fettsäuren sind. Zu diesen zählen die Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren.
Zu den Omega-3-Fettsäuren gehört die Alpha-Linolensäure (siehe Formel oben links), die in allen Pflanzen, die Photosynthese betreiben, vorkommt. In der Natur nimmt das Pferd über das Gras bereits hohe Mengen an Alpha-Linolensäure auf.
Besonders reich an Omega-3-fettsäurereiche Öle sind auch Leinsamen mit über 50 %, Hanföl mit 17% und Walnussöl mit 13%. Raps- und Sojaöl enthalten hingegen nur um die 8 bis 9 % Omega-3-Fettsäuren.
Im Körper wird die Alpha-Linolensäure zu einem ganz kleinen Teil (5 bis 10 %) in die für den Körper wertvollere Eicosapentaensäure(EPA) und in die Docosahexaensäure (DHA) umgewandelt. Für diese Stoffwechselvorgänge werden große Mengen an dem Spurenelement Zink benötigt.
Die Eicosapentaensäure(EPA) ist die Grundlage zur Bildung des Gewebshormons Prostaglandin 3, das im Körper aktiv antientzündlich wirkt.
Viel leichter hat es der Körper, wenn er bereits Öle zu sich nimmt, die bereits reich an DHA sind und damit keine Umwandlung erfordern. Dazu gehören ausschließlich Algen- und Fischöle. Leider werden Fischöle vom Pferd nicht so gerne gefressen werden, wirken sie doch wesentlich effektiver als das pflanzliche Leinöl. Daher sind Fettsäuren aus speziell gezüchteten Algen eine gute Alternative.
Nicht weniger wichtig: die Omega-6-Fettsäuren
Die nächste wichtige Gruppe der dreifach ungesättigten Fettsäuren sind die Omega-6-Fettsäuren, zu denen die Linolensäure (siehe Formel oben rechts) und die Gamma-Linolensäure zählen (siehe Formel oben mitte). Sie kommt vor allem in Borretschöl (ca. 20 %), Nachtkerzenöl (ca. 10 %), Hanföl (ca. 3 %) und Traubenkernöl (58 bis 78%) vor. Aus der essentiellen Linolensäure stellt der Körper über die Zwischenstufe Gamma-Linolensäure (GLA) die in Entzündungsprozessen bedeutsame entzündungshemmende Dihomogammalinolensäure (DGLA), aber auch die entzündungsfördernde Arachidonsäure her.
Die DGLA trägt zur Bildung von Prostaglandin 1 bei, das auch zur Bekämpfung von Entzündungen beiträgt. Die Arachidonsäure ist eine vierfach ungesättigten Fettsäure, die zur Bildung von Prostaglandin 2 nötig ist, was Magen und Niere stärkt, jedoch das Entzündungsgeschehen (was auch notwendig ist) vorantreibt.
Die Umwandlung der Fettsäuren untereinander erfordert Cofaktoren wie Zink und B-Vitamine wie Pyridoxin (Vitamin B6) und Biotin.
Um die positive Wirkung aus der Dihomogammalinolensäure zu gewährleisten, ist eine zusätzliche ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren, zum Beispiel durch Leinöl, nötig. Hohe Insulinspiegel hingegen aktivieren die Bildung der Arachidonsäure.
Fettpolster wichtig
Eine wichtige Aufgabe der Öle in der Fütterung ist die Energielieferung, ohne dabei den Eiweißgehalt der Ration zu erhöhen. Allerdings sollte man bedenken, dass Öle selbst relativ „leere Kalorien“ in Bezug auf die Mineralisierung des Pferdes darstellen.
Ölfrüchte, Ölkuchen oder Extraktionsschrote sind dagegen reich an Mineralien und hochwertigen Aminosäuren, aber auch an Eiweiß. Zur Bildung von Fettreserven sind Sonnenblumen- und Maiskeimöl (reich an zweifach ungesättigter Linolsäure), Hanf- oder Olivenöl durchaus geeignet. Sie stellen auch eine natürliche Vitamin E-Quelle dar.
Entzündungen effizient bekämpfen
Will man aber spezielle gesundheitliche Effekte über die Bildung von Prostaglandinen erzielen, macht der Einsatz der oben genannten dreifach ungesättigten Fettsäuren Sinn. Prostaglandine sind Gewebshormone, die kontrollierend auf die Talgabsonderung der Haut wirken können, Enzyme hemmen, die Gewebsschäden verursachen, ja sogar das Verhalten beeinflussen können. Sie harmonisieren das Immunsystem und beeinflussen das Allergiegeschehen positiv, verhindern das Verklumpen der Blutplättchen und verbessern Fruchtbarkeit von Stute und Hengst.
Nachteile der Ölfütterung
Nicht unbeachtlich ist die Energiezufuhr, die durch Öl entsteht. Für ein Pony, das taglich 50 Milliliter Leinöl zugefüttert bekommt, sind fast 2 MJ in der Energiebilanz zu berechnen.
Öle sind relativ lange vor Verderb geschützt, so lange sie naturgebunden in der Ölfrucht, dabei aber kühl gelagert werden (z.B. im Borretschsamen, als Sonnenblumenkerne, ganzer Leinsamen). Je nach Verwendung und Struktur können Fette langsam oder schnell verderben. Die drei Doppelbindungen der dreifach ungesättigten Fettsäuren sind hochsensibel gegenüber Zerstörung durch Licht oder Sauerstoff. Dabei werden sogenannte Peroxide gebildet, das Öl wird ranzig.
Der Fettverderb ist nicht umkehrbar, sehr komplex und kaum zu beherrschen. Erst bei hochgradigem Verderb schmecken Öle ranzig oder aggressiv. Die Zerstörung von Ölen ist abhängig von der Menge der Luftzufuhr, Wärme und Strahlung (z.B. Sonneneinstrahlung) und der Anzahl an Doppelbindungen. Peroxidbelastete Öle schaden der Gesundheit mehr als dass sie nützen, haben eine Bedeutung bei der Entstehung von Krebs, Entzündungen und anderen Erkrankungen.
Öle müssen geschützt werden
Diese Zerstörung kann auf natürlichem Weg durch Antioxidantien wie Vitamin E oder verschiedene Sekundäre Pflanzenstoffe aus Kräutern aufgehalten werden. Ein Vorteil wäre entsprechende Öle bereits im Vorfeld reichlich mit Vitamin E anzureichern (nicht unter 0,5 Gramm pro 100 Milliliter Öl). Öle sollten grundsätzlich kühl und lichtgeschützt gelagert werden.
Vorteilhaft ist auf alle Fälle die Kaltpressung von Ölen, da die Ölfrucht weniger Hitze ausgesetzt wird und sich dabei weniger Peroxide bilden können. Auch das natürliche Vitamin E bleibt weitestgehend erhalten.
Alternativ kann die ganze Ölfrucht gefüttert werden. In seinem natürlichen Samen ist die Ölfrucht jahrelang geschützt (siehe z.Bsp.: Wundersam).
Vitamin E schützt vor Verderb
Je höher der Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist, desto mehr Vitamin E wird benötigt, um diese vor Verderb zu schützen. Der Gehalt an Vitamin E steigt nicht automatisch mit dem Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Den höchsten Vitamin E-Gehalt und den höchsten Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren hat das Weizenkeimöl. Einen besonders hohen Vitamin E-Gehalt im Verhältnis zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren finden wir bei Sonnenblumen- und Maiskeimöl. Weniger gut schneidet Distelöl (mehr als 70% MUFs) ab. Wer Distelöl füttern möchte, sollte zusätzlich Vitamin E füttern. Auch Leinsamenöl enthält relativ wenig Vitamin E und kann sehr leicht verderben. Es sollte schon beim Einkauf von hoher Qualität sein (Geschmacksprobe: nussig, nicht bitter!) schnell verbraucht und kühl und dunkel gelagert werden.
Fazit für die Pferdefütterung
Ein hoher Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren war lange Zeit in der Fütterung unerwünscht, weil dadurch die Lagerfähigkeit (Oxidationsstabilität) des Futters vermindert wird. Heute weiß man von den gesundheitlichen Vorteilen und so werden Öle in der Fütterung zur Verbesserung von Fell, Haut- und Hufstruktur eingesetzt, zur Förderung der Fruchtbarkeit und der Fließfähigkeit des Blutes.
Durch den Einsatz von Ölen zum Kraftfutter (bis 10%) kann die Stärkezufuhr vermindert werden, was den Insulinhaushalt entlastet und die Leistungsfähigkeit steigert. Zu hohe Ölanteile im Futter werden aber nicht immer gerne gefressen. Die Gefahr eines schnelleren Futterverderbs und die hohe Beanspruchung der Leber sollten bei der Fütterung hoher Fettmengen berücksichtigt werden.
Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand 2010 überarbeitet 2024©
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